Ein Tag um Mauern einzureißen

Gestern war der 09.11.2024, ein historisches Datum für die Einen, ein emotionaler Teil des Lebens für die Anderen!

Viele von uns erlebten eine Zeit, in der es zwar keinen eklatanten Mangel an lebenswichtigen Gütern gab, aber etliche  Dinge, die man benötigte einfach nicht ohne Weiteres zu bekommen waren.

So wurde aus jedem zukünftigen Häuslebauer ein Kloschüssel-, Fliesen- und Sanitär-Jäger und Sammler sämtlicher mühsam beschaffter und zusammengetauschter Artikel, um endlich in 2-5 Jahren mit dem Projekt „Eigenheim” beginnen zu können. 

Man lernte kaputte Dinge zu reparieren und nicht alles wurde einfach so in die Tonne gedonnert, sowohl im materiellen als auch im übertragenen Sinn!

Die alten Zeiten waren nicht immer rosig, aber zwei Dinge wurden auch damals groß geschrieben: “Kameradschaft und Hilfe”

Man war füreinander da, es wurde gefeiert, geteilt, gelacht und gelitten, aber Regen stehen gelassen wurde niemand.

So unterschiedlich die Emotionen auch sind, welche mit diesem Tag verbunden werden, so zahlreich sind die persönlichen Einblicke, die einzelne Kameraden vor 35 Jahren gesammelt haben.

Einige haben wir hier zusammengetragen!

René Kruschke erinnert sich:

„Zur Zeit des Mauerfalls war ich 17 Jahre alt und im zweiten Lehrjahr bei der Deutschen Reichsbahn. Am 9. November habe ich von der Grenzöffnung noch gar nichts mitbekommen; erst am nächsten Tag auf dem Stellwerk erfuhr ich davon. Ich konnte es gar nicht glauben, bis ich es später selbst im Fernsehen gesehen habe. Über den Fall der Mauer war ich sehr glücklich, da dadurch Besuche bei meinen Verwandten im Westen möglich wurden. Am darauffolgenden Wochenende bin ich mit meiner Mutter in Berlin über den Grenzübergang Checkpoint Charlie nach Westberlin gefahren, um das Begrüßungsgeld abzuholen. Gekauft haben wir nicht viel, wir haben uns erstmal umgeschaut. Im Januar 1990 bin ich dann nach Uelzen in den „richtigen Westen“ zum Geburtstag meiner Tante gefahren. Der Wunsch dauerhaft nach „Drüben“  zu gehen bestand nie. Die regelmäßigen Besuche haben mir ausgereicht. Wenn ich heutzutage Bilder und Berichte vom Mauerfall sehe, bekomme ich immer noch Gänsehaut.“

Ein weiterer Kamerad berichtete von einem gemütlichen Fernsehabend mit seinem Schwager, als die Nachricht vom Mauerfall dort übertragen wurde. Diese Neuigkeit wurde zur Kenntnis genommen, aber nicht wirklich verarbeitet. Zu dieser Zeit waren die Eltern selbst gerade im „kapitalistischen Feindland“ zum runden Geburtstag einer Verwandten.

Am nächsten Tag gings zur Arbeit und da dämmerte ihm langsam, dass es sich gestern bei dem Gesehenen im Flimmerkasten nicht um „Fake-News“ handeln konnte. Wenige Tage später ging es dann „Rüber“.

Christian Schmeller erinnert sich wie folgt:

„Ich saß im Wohnzimmer und im Fernsehen ging es drunter und drüber, weil die Mauer gefallen war. Ich war damals 12 Jahre und bin in einem recht abgeklärten Elternhaus aufgewachsen. Glauben wollte ich diese Neuigkeit zwar, aber verarbeiten konnte ich sie noch nicht. Am nächsten Tag holte mich meine Schuldirektorin aus der Klasse, um mich meinem Bruder zu übergeben, der am Lehrerzimmer wartete. Ihre Worte waren:

„Deine Eltern wollen mit Euch verreisen….“

Dann ging es mit wehender Deutschlandfahne am Auto in den Westen.

Noch heute werden die Augen feucht, wenn ich an die Ereignisse von damals denke.“

Wilhelm Piskol war seit 1955 als Feuerwehrmann in Strausberg aktiv und bereichert mit seinem Wissen und der jahrzehntelangen Erfahrung nun unsere Alters- und Ehrenabteilung.Den Mauerfall erlebte er,wie so viele , ebenfalls am Fernseher. Allerdings war schon Tage vorher in der Abteilung Feuerwehr eine Umbruchstimmung zu bemerken, ohne jedoch zu wissen wo diese her kam. Die Genossen wussten sich keinen Rat und im Nachgang staunte man nicht schlecht, dass sich besagte geladene Atmosphäre durch den Mauerfall erklären ließ.

So unterschiedlich unsere gelebten Jahre auch sein mögen, die Erlebnisse von Damals haben geprägt und man besinnt sich heute auf das was war, aber auch auf das, was wir im Hier und Jetzt erleben.

Ja, Zeiten ändern sich, kommen und gehen und hinterlassen ihren höchst eigenen Stempel in unseren Erinnerungen. 

Man sinniert über die schönen Erlebnisse in der Feuerwehr, im Sport oder mit der Familie, aber gedenkt auch den gefallenen Opfern an der Mauer und den jahrelang zerrissenen Familien, die durch die Grenze getrennt wurden.

Zwei Dinge jedoch haben die Zeiten überdauert und weder Mauer noch Grenze konnten ihnen gefährlich werden :

„Kameradschaft und Hilfe“

In diesem Sinne lasst uns auch in Zukunft Mauern einreißen, zusammenstehen, einander unterstützen und Leben retten, denn das ist, was uns alle ausmacht.

Wir waren Kameraden früher und sind es noch heute!

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